Ich werde immer mal wieder nach diesem Artikel befragt, deswegen stelle ich ihn jetzt auch hier zur Verfügung. Ersterschienen im Rundbrief des Forum Umwelt und Entwicklung 3/2011. Diese Version erschien im Robin Wood Magazin.
Die Nachhaltigkeitsdebatte hat einen neuen
Begriff – und bleibt vor allem eine Machtfrage
Montag, 8. April 2013
Vorwärts zur Green Economy?
Ein neues Gespenst geht um in der internationalen
Politik. Es heißt “Green Economy”. Je nach Meinung, ist es ein Monster, das
eine egoistische Interessenpolitik der Industrieländer verschleiert; ein Engel,
der uns endlich Entwicklung und eine saubere Umwelt bringt; oder eine Maus, die
zwar ganz niedlich ist, aber ohne großes Gewicht.
Die “Green Economy” gilt als das Thema von Rio+20, dem nächsten
großen Nachhaltigkeitsgipfel im Juni 2012. Aber schon der Beschluss der UN
Generalversammlung zu Rio+20 illustriert, wie umstritten dieser Begriff ist. In
Rio wird nämlich nicht einfach die “Green Economy” verhandelt, sondern: “die
Grüne Wirtschaft im Kontext nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung”. Ein
typisches Ergebnis von Verhandlungen. Was diese Phrase genau bedeutet, wird ein
Rätsel bleiben – beziehungsweise von hunderten Akteuren unterschiedlich
interpretiert werden. UNEP, die den Begriff sehr stark geprägt haben, bemühen
sich, die Green Economy als nachhaltige
Entwicklung darzustellen: Die Green Economy wird präsentiert als ein Weg zurnachhaltigen Entwicklung. Andere UN-Institutionen wollen diesen neuen Green
Economy Begriff natürlich nicht UNEP alleine überlassen. Zum Beispiel hat die
Handelsorganisation der UN, UNCTAD, ein eigenes Manifesto für Rio+20veröffentlicht, das eine “development-led green economy” einfordert, also eine
grüne Wirtschaft, die vor allem Entwicklung voran bringt. Geschickt wird dabei
der Begriff positiv aufgegriffen – und gleichzeitig suggeriert, die “anderen”,
die ihn verwenden, würden nicht ausreichend auf Entwicklungsinteressen achten.
Diese Skepsis ist verbreitet unter
Entwicklungsakteuren. Martin Khor, als Chef des von Entwicklungsländern
finanzierten South Centre, identifiziert mindestens vier Risiken, die dem Green
Economy Diskurs seiner Ansicht nach innewohnen:
• dass es nur die Umwelt und nicht Entwicklung
im Blick hat
• dass es einen “one size fits all” Ansatz
wählt, das heißt dieselben Politikvorschläge für alle Länder macht, ohne auf
deren Unterschiede genügend einzugehen
• dass es als Deckmantel für protektionistische
Interessen des Nordens benutzt wird, z.B. in dem Umweltstandards für Importe
festgelegt werden
• dass die “Green Economy” als neue Bedingung
(conditionality) etabliert wird, die Entwicklungsländer erst erfüllen müssen,
bevor sie Entwicklungshilfe oder Kredite erhalten können.
Die
Nachhaltigkeitsdebatte hat einen neuen Begriff
Bolivien insbesondere sieht diese Punkte nicht
nur als Risiko an, sondern als erwiesene Strategie der Industrieländer. Die
“Green Economy” ist ihrer Meinung nach lediglich ein weiterer Schritt zur
Vermarktung der Umwelt. “Die Marketisierung der Umwelt soll sie retten. Dies
ist absolut falsch”, gab Pablo Solon für Bolivien im April 2011 bei der UNO zuProtokoll. Viele Akteure, zum Beispiel die OECD, definieren die “Green Economy”
in der Tat rein ökonomistisch und definieren den Begriff zur neuen
Wachstumsstrategie für alte Industrienationen um. Das mag ein Fortschritt
gegenüber der vorherigen reinen “Wachstum über alles” Politik sein, nährt aber
auch Skepsis in Entwicklungsländern. Die OECD erklärt beispielsweise zu
Fischerei, Wäldern und Landwirtschaft, dass “klar definierte property rights”
ein essentieller Teil einer “Begrünung” dieser Sektoren darstellt. Eine
gefährliche Analyse, denn dies liefe auf eine Privatisierung von z.B.
Fischbeständen hinaus. Diese privilegiert in Wahrheit genau die – großen,
reichen und gut vernetzten − Akteure, die heute für die Plünderung unserer
Meere verantwortlich sind.
Noch mehr als OECD-Studien schüren aber
Äußerungen zur Green Economy von Ländern, die offensichtlich weder auf einem
grünen noch nachhaltigen Pfad sind, Misstrauen. Für Kanada, zum Beispiel,
scheint die Green Economy nicht mehr als ein grün angestrichener Status Quo zu
sein, das bestätigten auch ihre jüngsten Äußerungen im März 2012 bei der UNO.
Die, deren Interessen nicht leicht unter das Label “Green” zu fassen sind, definieren
die “Green Economy” auch farblich anders: So gibt es viele Länder, die in Rio
2012 vor allem über die “Blue Economy” reden wollen. Fiji, als Repräsentant der
kleinen Inselstaaten, forderte dies z.B. bei der Vorbereitungskonferenz im März2011. UN Generalsekretär Ban Ki-moon hat dem “blauen Teil” der Green Economy
ebenfalls seine Unterstützung signalisiert. Im August 2011 veröffentlichte erein Papier, das den Schutz von Korallenriffen als ein Thema für Rio+20
unterstützt.
Aus dieser kurzen Übersicht ist schon
erkenntlich: Der Begriff Green Economy wird so umstritten sein − und bleiben −
wie es der Begriff nachhaltige Entwicklung seit über 25 Jahren ist. Es wird
immer richtig sein, “Wessen Green Economy”? zu fragen. Wir müssen die
Interessen, die jeder Definition von der “Green Economy” zugrunde liegen,
kritisch hinterfragen.
Die
Frage ist: Was gehört nicht zu einer Green Economy?
Eine entscheidende Frage um progressive Definitionen
der Green Economy von schädlichen zu unterscheiden ist, ob sie eine klare
Sprache dazu finden, was zu einer Green Economy nicht dazu gehören darf. Auch schon der Diskurs um nachhaltige Entwicklung
hat zu oft suggeriert, dass es jeweils nur um ein “win win” und ein “anders und
besser” geht. Die Wahrheit aber sieht anders aus: Wer eine grüne Ökonomie will,
muss die schmutzige Ökonomie beenden. Punkt. Atomkraft, neue Kohlekraftwerke,
Gentechnik, die globale Entwaldung und Überfischung sind einige der Dinge, die
in einer grünen oder nachhaltigen Wirtschaft Geschichte sein müssen.
Unkontrollierte Finanzspekulationen und eine Wirtschaft, die auf dem Prinzip
des ewigen “Mehr und Mehr” beruht – auch! Auf dem Weg nach Rio sollten wir vor
allem den Finger auf die Wunden legen, und die Dinge klar benennen, für die
Alternativen dringend notwendig – und vorhanden! – sind. Um die Green Economy
voran zu bringen, müsste Rio+20 (und dies ist natürlich nur ein skizzenhafter
Überblick):
1. sich klar zu einer Energierevolution auf
der Basis von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz bekennen. Dazu gehört
auch, dass bis 2020 alle Menschen, die noch ohne Elektrizität leben, diese
erhalten. Dafür wird ein massiver Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien in
Entwicklungsländern nötig sein.
2. beschließen, bis 2020 die globale
Entwaldung zu stoppen. Dafür müssen die passenden nationalen Gesetze geschaffen
werden, perverse Subventionen eingestellt und die Nachfrage, die Entwaldung
antreibt, durch effektive Politikinstrumente reduziert werden.
3. Überkapazitäten der globalen
Fischereiflotte beenden, ein internationales Abkommen, das Meeresschutzgebiete
auf hoher See ermöglicht, auf den Weg bringen und Meeresschutzgebiet weltweit
einführen, die 40 Prozent der Ozeane abdecken.
4. sicherstellen, dass die ökologische
Landwirtschaft und Kleinbauern die nötige Unterstützung erhalten (direkt und
durch Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen).
5. beschließen, innerhalb einer Generation die
“Null-Einleitung” von schädlichen Chemikalien weltweit zu erreichen.
Wessen Definition der Green Economy sich
durchsetzen wird, bleibt vor allem eine Machtfrage. Wir werden unsere
Vorschläge als Zivilgesellschaft nur durchsetzen können, wenn wir uns dessen
bewusst sind. Wir brauchen nicht tausend neue Konzepte und Studien – wir
brauchen vor allem mehr Durchsetzungsmacht für die bereits vorhandenen
Alternativen. Werden wir den Rio+20 Prozess dazu nutzen?
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen