Donnerstag, 14. Juli 2016
Die Klimapolitik ist in - und braucht - Bewegung
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Global Umweltveränderungen hat 2014 eine Weltbürgerbewegung für den Klimaschutz gefordert und damit eine Kontroverse ausgelöst. Die Zeitschrift GAIA hat diese Debatte aufgegriffen und voran getrieben und Ende 2015 auch einen Beitrag von mir dazu veröffentlicht. Die gesamte Debatte ist auch auf boell.de dokumentiert. Hier zum nachlesen:
Eine “Weltbürgerbewegung” für den Klimaschutz - das klingt
attraktiv. Die Rede vom “Bürger” suggeriert - anders als die vom
"Konsumenten" - ein
politisches Subjekt, das sich einmischt und - nach diskursiver
Auseinandersetzung – Regeln für die Gesellschaft festsetzt. Und “Bewegung” klingt nach
Veränderung, nach Umwälzung, nach dem Aufbrechen von Althergebrachtem, nach
einem (erwünschten) Neuanfang.
Dennoch hat der
vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen (WBGU) in seinem Sondergutachten
propagierte “Klimaschutz als Weltbürgerbewegung” (WBGU 2014) eine Kontroverse
entfacht. Dem WBGU wurde vorgeworfen,
einer “Ökodiktatur” das Wort zu redden (Leggewie et al, 2015). Nun kritisiert
Achim Brunnengräber, dass die Vorschläge im Sondergutachten einer
“entstaatlichten Klimapolitik unter neoliberalen Vorzeichen” das Wort reden
würde (Brunnengräber, 2014, S. 307). Sybille Bauriedl
analysierte, der WBGU unterstütze eine eurozentrische, marktkonforme
Lösungsideologie die “soziale und globale Ungleichheit” verschärft (Bauriedl
2015, S. 16); und Barbara Unmüßig stellt mit Bezug auf den WBGU
kritisch fest: “Die
Weltbürger(innen), an die er denkt, kommen fast alle aus dem wohlhabenden
Norden” (Unmüßig, 2015, S. 161).
Das Ende des fossilen
Zeitalters bis 2050
Die Kritiker(innen)
erkennen an, dass der WBGU die klimawissenschaftliche Notwendigkeit gut
darstellt, entschieden und eilig zu handeln. Das ist in der Tat richtig. Brunnengräber (2014) und Bauriedl (2015)
merken zwar die Naturwissenschaftslastigkeit des Gutachten kritisch an und halten
die angestrebeten Maßnahmen für oft falsch und technokratisch. Das Ziel, die
klimaschädlichen Emissionen aus fossilen Rohstoffen bis 2070 zu beenden, wird
allerdings als durchaus weitreichend wiedergegeben. Mir hingegen erscheint
dieses Ziel nicht ambitioniert genug. Bis 2050 ist ein weltweiter Umstieg auf
erneuerbare Energien möglich - auch unter gegebenen ökonomischen und technologischen
Bedigungen. Die dazu notwendige Energierevolution schafft Arbeitsplätze und
senkt die Emissionen in dem Maße, wie es die Klimawissenschaft verlangt (Greenpeace
Deutschland 2015). Nichts weniger sollte deswegen auch der WBGU von
Entscheidungsträgern fordern und erwarten. Wir brauchen das globale Ende des
fossilen Zeitalters bis Mitte dieses Jahrhunderts.
Und das ist
machbar, auch weil vieles, was sich WBGU 2014 unter dem Schlagwort
“Weltbürgerbewegung” einfordert, heute bereits real ist. Das Momentum ist auf
der Seite der Klimabewegung. Verschiedenste Akteure auf den unterschiedlichsten
Entscheidungsebenen betreiben aktiven Klimaschutz und treiben diesen auch
politisch voran. Die Realität ist chaotischer als der vom WBGU angestrebte
“modulare Multilateralismus”, der nach Brunnengräber (2014, S. 308) nur als
"schöne heile WBGU-Klimawelt" existiert. Aber die Anzahl und
Durchschlagkraft der Initiativen ist trotzdem beeindruckend. Es finden sich
immer mehr Menschen weltweit zusammen, um das Ende des fossilen Zeitalters dort
voranzutreiben, wo sie Einfluss haben. Und das oft mit Erfolg. Die
philippinische Stadt Tacloban wurde im November 2013 durch den Taifun Haiyan,
einen der stärksten je aufgezeichneten tropischen Wirbelstürme, fast komplett
zerstört. Nun wird dort das neue öffentliche Verkehrssystem auf Elektrobusse,
die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, umgestellt (Lipton 2014).
Sydney in Australien will bis 2030 Strom,
Heizung und Kühlsysteme auf erneuerbare Energien umstellen. Oslo,
Stockholm und Kopenhagen haben sich ebenfalls das Ziel gesetzt, ihren
Energiebedarf zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu decken; ebenso wie Konzerne wie H&M, Ikea, Mars, Nestlé
oder Philips. Nicht alles ist Gold, was bei diesen freiwilligen Ankündigungen
glänzt. Trotzdem sind sie ein Zeichen, dass heute bereits von großen Teilen des
Mainstream akzeptiert wird, dass eine "erneuerbare Welt" nicht nur
technisch und ökonomisch machbar, sondern auch politisch wünschenswert ist.
Nicht nur die
Klimafolgen schreiten demnach schneller und dramatischer voran als
vorhergesagt, auch die Lösungen setzen
sich schneller und nachhaltiger durch als gedacht. Die erneuerbare Energien
sind heute weiter verbreitet – und nicht zuletzt billiger – als selbst
Greenpeace es noch vor Jahren vorhergesagt hatte. 2014 gab es 15 Mal
mehr Solarenergie und drei Mal mehr Windenergie als noch 2007. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (International
Renewable Energy Agency IRENA) hat errechnet, dass neue Anlagen zur Erzeugung
erneuerbarer Energien schon heute in den meisten Ländern die ökonomisch sinnvollste Variante
sind (IRENA, 2014).
Die Aufgaben der Zivilgesellschaft
Dass die
Transformation trotzdem nicht so schnell vorangeht wie es die Klimawissenschaft
fordert, liegt – da stimme ich mit Unmüßig, Brunnengräber und Bauriedl überein –
an den vehementen und systemischen Widerständen derjenigen, die am
zerstörerischen Status quo verdienen. Diese Akteure und ihr starker Einfluss
auf die Klimapolitik sind im WBGU-Gutachten, freundlich formuliert, zu kurz
gekommen. Das ist kaum zu entschudligen, vor allem, da gerade die deutsche Bunderegierung
- die international oft durchaus beeindruckend für mehr Klimaschutz streitet – national
genau dann klimaschädlich handelt, wenn
starke Lobbys wie die Kohle-, Stahl- oder die Automobilindustrie dies einfordern.
Auf Betreiben dieser Lobbys wurde eine Kohleabgabe verhindert, der
EU-Emissionshandel zur klimapolitischen Farce verwässert oder es wurden unzureichende
Autoabgasgrenzwerte festgesetzt (die dann zusätzlich noch durch Manipulation
unterwandert wurden ). Dieses klimapolitische Versagen war auch schon 2014 so
offensichtlich, dass man sich fragen muss, ob der WBGU seinen Auftraggebern
nicht ganz so deutlich sagen wollte, dass die extreme politische Macht der
fossilen Industrien auch in Deutschland zu einer erschreckend unzureichenden
Klimapolitik führt.
Soviel zu den
Verantwortlichen für die unzureichende nationale Klimapolitik. WBGU wie
Kritiker(innen) des Sondergutachtens stellen mit Blick auf die internationale
Arena eine Lähmung und Blockade im globalen Klimaschutzprozess fest. Beide
Seiten tendieren dabei dazu, den formalen
internationalen Verhandlungsprozess in seiner Bedeutung überzubewerten.
Die WBGU erachtet diesen
– auch ohne völkerrechtlich verbindlichen Vertrag – als so bedeutend, dass er
der von ihm gelobten Zivilgesellschaft zu mehr formaler Macht in dem Prozess
verhelfen will. Da kann man sich als internationale NGO natürlich eigentlich
nur geschmeichelt fühlen. Aber Barbara Unmüßig fragt zu Recht: “Welche NRO kann denn für sich reklamieren, für die
Weltbürger(innen) zu sprechen?” (Unmüßig 2015, S. 162). Äh, keine. Und auch
strategisch hielte ich es nicht für wünschenswert, wenn die Zivilgesellschaft
noch stärker in das formale globale
Governanceregime hinein kooptiert würde. Wir dürfen – trotz der massiven
Einschränkungen für die Zivilgesellschaft in vielen Ländern, auf die Barbara
Unmüßig hinweist – den Anspruch, dass Staaten verpflichtet sind, die Rechte
ihrer Bürger(innen) durchzusetzen, nicht aufweichen. Wir müssen von den
Vereinten Nationen weiter erwarten, dass sie als Staatenverbund globale
Maßstäbe setzen - und auch bereit sind, die dazu notwendigen Maßnahmen
durchzusetzen. Aufgabe der Zivilgesellschaft ist es dann, die Zusagen von
Staaten zu überprüfen, gebrochene Versprechen aufzudecken und für öffentliche
Diksussion und Kritik zu sorgen. Sie darf aber darf nicht zu einer Art globalem
Umweltbundesamt werden, dessen formale Aufgabe die Prüfung nationaler
Klimapläne ist …
Gleichzeitig
verwundert es, dass sich Achim Brunnengräber fragt
“woher die Impulse für einen ambitionierten
Klimaschutz kommen sollen, …wenn nur noch soft law oder gar keine
(völker-)rechtlich verbindlichen Ziele die Klimagovernance auszeichnen”
(Brunnengräber 2014, S. 307). Impulse gibt es doch zuhauf! Der Klimaschutz schreitet voran - wenn auch
nicht schnell genug. Das Scheitern von Kopenhagen 2009 hat den Durchbruch der
Erneuerbaren in den letzten Jahren nicht verhindert (ein Erfolg in Kopenhagen
hätte ihn wahrscheinlich zusätzlich beschleunigt). Und selbst bei den globalen
Verhandlungen im Rahmen der United
Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) ist heute erstmals von
einer Beendigung der globalen klimaschädlichen Emissionen die Rede. Als der
WBGU dies 2014 forderte, war es auf dieser Ebene noch ferne Zukunftsmusik.
Viele erfahrene Verhandler(innen) sagten in den letzten Jahren voraus, dass
alle Formulierungen zur globalen “Dekarbonisierung” lange vor der UN-Klimakonferenz
in Paris wieder aus den Verhandlungstexten verschwinden würden. Aber auch bei
Drucklegung – als die Verhandlungen in Paris in die letzte Runde gingen - enthiellt
der Text, der den Ministern vorlag, noch die Option, dass die globalen
Emissionen beendet werden müssen. Egal was am Ende in Paris beschlossen wurde,
auch auf der Ebene der internationalen Diplomatie ist die Diskussion über das Ende
des fossilen Zeitalters angekommen.
Was Klimagipfel leisten - und was nicht
Man sollte dabei den UNFCCC-Prozess weder
positiv noch negativ verklären. Statt dessen sollte man realistisch
einschätzen, welche Impulse er geben kann und welche nicht.
Gipfel setzen zum
Beispiel Fristen. Regierungen werden durch sie gezwungen, sich die Zeit zu nehmen,
um Gesetze zu verabschieden. Verfeindete Ministerien müssen sich einigen.
Brasilien etwa hat Ende September 2015 – trotz einer ernsten Regierungskrise –
einen Klimaschutzplan vorgelegt. Dieser reicht zwar nicht aus, um das Klima zu
retten, aber er beinhaltet einige Schritte in die richtige Richtung (Tandon 2015). Diese Fortschritte wären ohne den
Zeitdruck, den der Pariser Gipfel erzeugt, wahrscheinlich nicht möglich gewesen;
eine Entscheidung wäre aber sicher vertagt worden.
Globale Gipfel
können außerdem Motor für wichtige bilaterale Abkommen sein. Die Nationen mit den höchsten absoluten
Emissionen - die USA und China - haben sich bereits zweimal, 2014 und im
September 2015, gemeinsam auf mehr Klimaschutz geeinigt. Klimaverhandlungen
bringen auch zusätzliche öffentliche Aufmerksamkeit: Umweltorganisationen etwa werden
während der beiden Wochen der Klimaverhandlungen weltweit jedes Jahr mehr in
den Medien zitiert als im Rest des Jahres. Klimaverhandlungen bieten also gerade
Umweltorganisationen die Chance, die öffentliche Debatte voranzutreiben und auf
mehr Einsatz für den Klimaschutz zu drängen.
Der Klimagipfel
von Paris der gerade zu Ende gegangen ist, war aufgrund der damit verbundenen
Medienaufmerksamkeit die perfekte Plattform, um die öffentliche
Auseinandersetzung darüber zuführen, dass das globale Ende des fossilen
Zeitalters bis Mitte dieses Jahrhunderts erreicht werden muss. Es ist gut, dass
in Paris über “Dekarbonisierung” geredet wird. Aber im nächsten Schritt müssen
wir zeigen, dass die schrittweise “Dekarbonisierung” bis 2100 (Forderung der G7
und von Bundeskanzerlin Merkel) oder auch bis 2070 (WBGU) nicht ausreichen.
Auch wenn ich die Rolle der UNFCCC also pragmatisch sehe, stimme ich
Brunnengräber, Bauriedl und Unmüßig zu, dass der WBGU die Kritiker(innen) des
UNFCCC-Prozesses nicht zu Wort kommen lässt und diese nicht als Teil seiner
“Weltbürgerbewegung” zu sehen scheint. Bauriedl übertreibt aber, wenn sie
behauptet, die Hundertausende, die 2014 in New York für Klimaschutz auf die
Straße gingen, seien alle “die Kritiker(innen) der etablierten Klimapolitik” (Bauriedl
2014, S. 15) gewesen. Die New Yorker Demonstration war so groß und so erfolgreich,
eben weil sie alle zusammenbrachte - vom Generalsekretär der UN, Ban Ki-moon,
bis hin zur Occupy-Wall-Street-Aktivistin.
Wie
Naomi Klein es formulierte: “To change everything, we need everyone”.
Weniger Bürgerlichkeit, mehr Bewegung
Insbesondere Bauriedl zeichnet außerdem die
globale Klimapolitik zu stark und zu klassisch als Auseinandersetzung zwischen
“dem Norden” und “dem Süden”. Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass nicht
“die Menschen” den Klimawandel verursachen, wie es der WBGU an einigen Stellen formuliert.
Es ist auch richtig, dass
Industrieländer wie Deutschland eine besondere historische Verantwortung tragen,
da sie einen unfair großen Anteil an den klimaschädlichen Gasen verursacht
haben, die sich heute in unserer Atmosphäre befinden. Gleichzeitig wächst täglich
die Anzahl derjenigen, die nicht im
„Norden“ (den alten Industrieländern) leben, die aber durch ihren
konsumintensiven Lebensstil den Klimawandel massiv vorantreiben. Es ist zwar
wichtig zu wissen, dass ein großer Teil der Emissionen Chinas in Wirklichkeit
für den Export, und damit unseren Konsum, bestimmt sind (eine Studie des
britischen Tyndall Centres sprach von etwa einem Viertel, Wang et al. 2007).
Trotzdem steht hinter der Tatsache, dass zum Beispiel die Pro-Kopf-Emissionen
Chinas heute mit denen vieler europäischer Länder vergleichbar sind, auch eine
wachsende globale Mittelklasse und der extreme Konsum der Oberen 1 % weltweit. Die
oberen 10% verursachen etwa die Hälfte der globalen Emissionen (Oxfam, 2015)! Neben
der Umverteilung von Nord nach Süd (die gerade für ärmere und kleinere Entwicklungsländer
nach wie vor essenziell ist), tritt die Frage der Umverteilung innerhalb von Ländern immer mehr in den
Vordergrund. Weltweit müssen die, die viel haben vor allem „weniger
nehmen statt mehr zu geben“, wie es Wolfgang Sachs formuliert (Sachs, 2002). Die Klimadebatte
ist deshalb weltweit zunehmend auch eine Debatte über Ungleichheit, sie ist zunehmend auch eine Klassenfrage (Mittler 2014). Es geht darum, wie wir das noch zu
Verfügung stehende Budget an klimaschädlichen Emissionen gerecht verteilen.
Diese gerechte
Verteilung von Emissionen und Ressourcen wird es „nicht ohne Konflikte geben”, wie Barbara Unmüßig (2015, S. 161) richtig formuliert. Mehr noch: Aufgabe der
Zivilgesellschaft muss es insbesondere sein, diese Konflikte aufzuzeigen und,
wo nötig, sogar zu erzwingen. Dies gilt auch in einer Welt, in der dies die
Zivilgesellschaft gefährden und vielerorts zu einem Backlash gegen ihre Rechte führen
kann. Greenpeace Indien wird zum Beispiel auch und gerade wegen seiner
erfolgreichen Arbeit gegen neue Kohleminen von der indischen Regierung unter
Druck gesetzt und in seiner Existenz bedroht (Subramanian 2015). Das ist fast ein Kompliment. Denn in den wenigen
Jahren, die uns zur Verfügung stehen, um die katastrophalsten Folgen des
Klimawandels zu verhindern, muss die Zivilgesellschaft vor allem ein klares
Nein sagen zu den entscheidenden neuen fossilen Projekten weltweit – und dieses
Nein auch wagen.
Wenn unser Klima
nicht vollends außer Kontrolle geraten soll, dürfen über zwei Drittel der
fossilen Ressourcen, die wir heute schon kennen, nicht verbrannt werden. Sie
müssen im Boden bleiben. Deswegen haben nicht nur die lokal Betroffenen sondern
wir alle das Recht, uns zum Beispiel gegen neue Kohlehäfen am australischen
Great Barrier Reef stellen. Deswegen gilt es, Ölbohrungen in der Arktis
komplett zu unterbinden und die Region als commons
für die Menschheit zu bewahren. Die potenziellen zusätzlichen Emissionen aus
solchen Projekten sind schlicht nicht hinnehmbar (Greenpeace International
2013). Sie gehen uns deshalb alle an. Wie auch der Kampf meiner indischen
Kollegen gegen neue Kohleminen – und für ihr Recht auf Protest.
Wir sind in der Tat „Weltklimabürger“ und
müssen uns aus globaler Verantwortung heraus vernetzen. Wir müssen unsere
gemeinsame Kraft auf die für das Klima – und damit unser Überleben –
entscheidenden Auseinandersetzungen konzentrieren. Wir selber müssen uns in
einer Art privaten Form des „modularen Multilateralismus“ nicht nur um unsere Probleme
vor Ort – sondern auch und gerade um die zentralen globalen
Auseinandersetzungen kümmern.
Für einen
erfolgreichen Klimaschutz müssen wir die positiven Impulse, die es auf allen
Ebenen und in allen Bereichen - inklusive der Wirtschaft - gibt, aufnehmen und stärken.
Wie ich am Anfang dieses Beitrags beschrieben habe: Es ist viel in Bewegung
beim Klimaschutz. Die Weltbürgerbewegung des WBGU existiert zum Teil heute schon
- und das ist auch gut so.
Gleichzeitig
reichen die positiven Bewegungen bei weitem nicht aus. Als global denkende
Bürger(innen) müssen wir deswegen weiter Bewegung machen und klimapolitische Fortschritte auch gegen massive
Widerstände erzwingen. Wir brauchen
Bürger(innen), die politisches Subjekt sein wollen – und dafür auch Konflikte aushalten,
gerade mit den Mächtigen. In diesem Sinne brauchen wir eine Weltbürgerbewegung.
Dringend. Im Vergleich zum Konzept des WBGU bedeutet das allerdings etwas
weniger Bürgerlichkeit - und dafür mehr Bewegung!
Literatur
Bauriedl, S. 2015. Eurozentrische Weltbürgerbewegung.
Zum WBGU-Sondergutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung.
GAIA 24/1: 13–16.
Brunnengräber, A. 2014. Eine Weltbürgerbewegung ohne
Realitätsbezug. Zum WBGU-Gutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung.
GAIA 23/4: 306–308.
Greenpeace
International. 2013. Point of no
return. The massive climate threats we must avoid. Amsterdam: Greenpeace. www.greenpeace.org/international/en/publications/Campaign-reports/Climate-Reports/Point-of-No-Return/ (abgerufen
14.10. 2015).
Greenpeace
Deutschland 2015. Ein Fahrplan für die Zukunft. www.greenpeace.de/themen/energiewende/ein-fahrplan-fur-die-zukunft
(abgerufen 14.10. 2015).
IRENA
2014. Rethinking Energy. http://www.irena.org/rethinking/Rethinking_FullReport_web.pdf#page=33
(abgerufen am 7.12. 2015).
Leggewie, C., D. Messner, S. Schlacke. 2015. Und doch: Klimaschutz als Weltbürgerbewegung.
GAIA 24/1: 10–12.
Lipton, C. 2014. One year
after typhoon Yolanda, a Philippines city rebuilds with sustainable transport
in mind. National Geographic.
Energy Challenge Blog. http://energyblog.nationalgeographic.com/2014/11/05/one-year-after-typhoon-yolanda-a-philippines-city-rebuilds-with-sustainble-transport-in-mind
(abgerufen 14.10. 2015).
Mittler, D. 2014. The changing ethics of climate change. Ethics & International Affairs 28/3: 351-358. www.ciaonet.org/attachments/26307/uploads
(abgerufen 30.10. 2015).
Oxfam. 2015. Extreme carbon
inequality, Media Briefing, 2.12. 2015, https://www.oxfam.de/system/files/oxfam-extreme-carbon-inequality-20151202-engl.pdf
(abgerufen 7.12. 2015)
Sachs, W. 2002. Gerechtigkeit braucht
Verzicht, Heinrich Böll Stiftung, http://www.worldsummit2002.de/index.html?http://www.worldsummit2002.de/web/boell/495.html
(abgerufen 7.12. 2015)
Subramanian, S. 2015. India´s war on Greenpeace. The
Guardian, 11.08.2015. www.theguardian.com/world/2015/aug/11/indias-war-on-greenpeace (abgerufen 30.10.2015)
Tandon,
S. 2015[US1] .
Brazil gives boost in push for climate deal, AFP, 27. 09. 2015. http://news.yahoo.com/brazils-rousseff-pledges-37-cut-greenhouse-gas-emissions-142149868.html
(abgerufen am 7.12.2015)
a’s war
Unmüßig, B. 2015.
Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Klimapolitik. GAIA
24/3: 160-163.
WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung
Globale Umweltveränderungen). 2014. Klimaschutz
als Weltbürgerbewegung. Sondergutachten. Berlin: WBGU.
Wang, T., J. Watson. 2007. Who owns China's carbon emissions? Tyndall
Centre Briefing Note 23. Sussex: Tyndall Centre. www.tyndall.ac.uk/content/who-owns-chinas-carbon-emissions (abgerufen 30.10.2015).
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Donnerstag, 7. Juli 2016
Flipping the coin for the Arctic
The tide is turning on Arctic protection. Actors that you may not have expected to play a role, are now stepping up to protect the Arctic; to embrace it as global commons, rather than exploit it. Some of the world’s largest seafood and fishing companies like McDonald’s,Tesco, Iglo, Young’s Seafood, Icelandic Seachill, Russian Karat Group, Fiskebåt — representing the entire Norwegian oceangoing fishing fleet, and Europe’s largest processor of frozen fish, Espersen — have nowcommitted to stop their search for cod in the “Galapagos of the Arctic”, a huge area in the northern Barents Sea and all the way up to the North Pole. This is big news which must drive governments to speed up the legal protection for the Arctic.
Let´s face it, in recent years, the Arctic has been in the midst of a real-world Game of Thrones. Arctic countries have rushed to stake claims of this fragile place for themselves. Corporations have exploited the tragedy of climate change — which results in more ice-free waters in the Arctic — to recklessly hunt for oil and fish. Non-Arctic countries have tried to get in on the game, too, not least by fixing their eyes on the “Northwest Passage” and dreaming of magical shortcuts for their commercial shipping fleets.
But, in recent years, this Game of Thrones plot has been disrupted by millions of people all over the world coming together to #SaveTheArctic as a common treasure of humanity. And now, finally, the plot twists. After many episodes in which things kept getting worse, we now see protection becoming a reality. Shell has left the Alaskan and Norwegian Arctic.
Now, worthy of a new season, for the first time ever, the seafood industry has voluntarily imposed limitations to industrial fishing in the Arctic. This means that any fishing companies expanding into unindustrialized Arctic waters will not be able to sell their cod to major seafood brands and retailers. This is not just a big step forward for the protection of the Barents Sea, this is a landmark move from a significant chunk of companies in the fishing industry, who have heard the calls of the millions of people to safeguard the ocean on top of our planet.
These voluntary measures are needed, because the Arctic Ocean, for all its beauty, lacks any significant legal agreements to protect it. Therefore, every piece of sea ice coverage lost is another piece of ocean open to reckless exploitation. Luckily, politically, too, there is change in the air.
Under the Unites Nations, for example, governments, have just started developing a new UN Ocean Agreement that could help protect two thirds of the world’s oceans and set up rules to create and manage ocean sanctuaries, including in thecentral Arctic.
Under the Unites Nations, for example, governments, have just started developing a new UN Ocean Agreement that could help protect two thirds of the world’s oceans and set up rules to create and manage ocean sanctuaries, including in thecentral Arctic.
The Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic (OSPAR), meanwhile, is deliberating the creation of a Marine Protected Area roughly the size of the UK in the Arctic high seas. The upcoming OSPAR meeting, 20-24 June, will be critical in delivering this vital first step to an Ocean Sanctuary. Governments who have spoken up in favor of Arctic protection, such as Germany, France, Spain, Netherlands, Sweden and Finland, need to show leadership and lead the way for the first marine protected area in the Arctic high seas.
National moves have also made headway. The United States has facilitated amoratorium on unregulated fishing in the Central Arctic Ocean among the Arctic coastal states. They are now working to bring in other nations, too. More recently the US and Canada agreed that commercial activities like shipping, fishing, and oil and gas exploitation, should be based on scientific evidence and be in line with global climate and environmental goals, as well as Indigenous rights. Of course, full Arctic protection requires action by other Arctic nations, like Russia, Denmark and Norway, who are still a bit of a stone in the shoe when it comes to Arctic protection.
National moves have also made headway. The United States has facilitated amoratorium on unregulated fishing in the Central Arctic Ocean among the Arctic coastal states. They are now working to bring in other nations, too. More recently the US and Canada agreed that commercial activities like shipping, fishing, and oil and gas exploitation, should be based on scientific evidence and be in line with global climate and environmental goals, as well as Indigenous rights. Of course, full Arctic protection requires action by other Arctic nations, like Russia, Denmark and Norway, who are still a bit of a stone in the shoe when it comes to Arctic protection.
It’s clear that “Winter did not come” [s1] to the Arctic this year as Arctic sea ice just hit a record low maximum in winter. With the extreme loss of sea ice, large areas of water are left open for longer periods and the need for legal protection to replace the protective ice-shield is urgent.
Science tells us that all Arctic oil should stay in the ground if we are to live up the goals of the Paris Agreement on climate change. As for fishing, there is plenty of evidence that shows that trawling the Arctic spells disaster for the sensitive seabed of the high North.
Coming back to the Barents Sea; Norway must now react to the momentum created by industries agreeing to end the exploitation of significant ocean areas. Voluntary action can only be the beginning. Norway needs to legally protect it’s own most sensitive Arctic waters in the Northern Barents Sea, including Svalbard. These areas are home to a wide range of whales, as well as cold water corals and tiny creatures like the mystical sea butterfly. Doing so could make Norway deserve its own episode in “Protect the Arctic” (Anti)-Game of Thrones. Especially, if Norway delivered on their their international commitment to protect 10% of their oceans. Shamefully, right now Norway is moving in the opposite direction, allowing yet more oil to be drilled in the Arctic, and is still not on track to achieve its 10% commitment to marine protection by 2020, neither in the Arctic nor elsewhere.
Which is just another sign that, ultimately, we need a global agreement on anArctic Sanctuary.
When we started to call for such a Sanctuary a few years ago, many called us unrealistic. But the tide is turning. As Bob Hunter, one of the founders of Greenpeace, observed: big change looks impossible when you start, and inevitable when you finish. In a few years, I trust, a day will arrive when the Arctic is safeguarded and we will no longer be thinking of a Game of Thrones, when we think about the Arctic.
This blog appeared first on The Huffington Post
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Eingestellt von Daniel Mittler 0 Kommentare
Zivilgesellschaft in Zeiten der corporate capture
Dies ist mein Beitrag zu der Broschüre "Wirtschaft Macht Politik", die an Fallbeispielen den privatwirtschaftlichen Einfluss auf internationale Politikprozesses analysiert. Ich empfehle die Lektüre der gesamten Broschüre!
Das Verhältnis
von Wirtschaft, Macht und Politik ist vielschichtig und lässt sich weder
schablonenhaft analysieren noch beeinflussen. Es ist ein wichtiger Beitrag der
hier präsentierten Fallstudien dies aufzuzeigen, den Blick auf „Mischakteure“
wie philanthropische Stiftungen zu wenden – und doch, bei aller
Vielschichtigkeit, auch klar zu machen, dass der wachsende Einfluss von
Unternehmen auf globale Politik ein unbestreitbarer Trend ist, dem wir uns
stellen müssen.
Einige
entscheidenden Aspekte benötigen noch der zusätzlichen Analyse – z.B. die
besondere Rolle von staatlich kontrollierten Unternehmen. Diese spielen
insbesondere in Ländern wie China, Brasilien, Russland oder Südafrika und in
Sektoren wie der Energiepolitik eine so bedeutende Rolle, dass eine nachhaltige
Entwicklung global nicht denkbar ist, ohne diese Akteure zu beeinflussen.
Staatlich kontrollierte Unternehmen machen aber die Unterscheidung zwischen corporate power und „staatlicher Macht“
(noch) schwieriger. Wenn die russische Regierung Politik im Interesse von
Gazprom macht, ist das ein Fall von corporate
capture – also illegitimem unternehmerischem Einfluss auf staatliches
Handeln? Oder muss man diesen Tatbestand – aufgrund der faktischen
Deckungsgleichheit der Akteure - anders beschreiben? Im Gegenzug: sind
Investitionen von Gazprom wirtschaftlich zu bewerten oder immer auch als
Ausdruck russischen geopolitischen Handelns?
Gerade da die
Grenzen zwischen Politik, Staat und Wirtschaft fließend sind, müssen wir uns
mit „Elitemilieus“ beschäftigen. Leider sind die dominanten Ideen der globalen
Elite(n) weit entfernt von einer fairen und nachhaltigen Entwicklung (auch wenn
der Klimawandel als Gefahr heute weithin akzeptiert ist …). So kann man
beispielsweise in vielen Ländern beobachten, wie die dortige Elite auf
gigantische Infrastrukturprojekte fixiert ist - und dies unabhängig von der
politischen Ausrichtung. Ecuador, Venezuela oder Brasilien setzen genauso auf
Pipelines oder Megastaudämme wie Modis Indien. Die Auswirkungen sind für Indigene
Völker, Menschenrechte und die Umwelt gleichermaßen katastrophal.
Es gilt deshalb
das Narrativ der globalen Elite weg von der Gigantomanie hin zu einer am
Menschen orientierten Entwicklung zu bewegen. Das wird nicht einfach – aber
dass es doch möglich ist, zeigt die Geschichte des Klimawandels. Die
zivilgesellschaftlichen Warnungen von vor einigen Jahrzehnten sind heute in der
breiten Gesellschaft hegemonial verankert. Trotz der Proteste einiger
US-Republikaner und des Agierens mancher Klimaskeptiker ist die Notwendigkeit,
das Klima zu schützen, heute Teil des Narrativ der globalen Elite. Das war auch
der Grund, warum eine Einigung auf ein neues Klimaabkommen in Paris im Dezember
2015 möglich war. Einige Gigantomanien, wie Großstaudämme, werden sogar bewusst
von ihren Befürwortern als klimafreundlich beschrieben, da sie wissen, dass
dies die Akzeptanz – auch bei den Geldgebern – erhöht. Trotz solcher
Perversionen macht mir das Beispiel Mut. Die Zivilgesellschaft hat durchaus die
Kraft das globale Narrativ zu verändern. Diese Macht sollten wir aktiv zu
nutzen versuchen, statt uns (nur) an Einzelthemen abzuarbeiten.
Das ist aber
nicht einfach, in einer Welt in der wir uns - aus guten Gründen - oft in
Widersprüche verwickeln. In einer Welt, in der mehrere Dutzend private
Unternehmen reicher sind als viele Staaten, wird es für die Zivilgesellschaft
immer attraktiver, ihre Ziele durch direkte Einflussnahme auf einzelne Konzerne
durchzusetzen. Wenn Greenpeace in den USA in den letzten Jahren stärker darauf
setzte, Supermärkte oder Konzernriesen wie Kimberly-Clark zu beeinflussen,
statt den US-Kongress, überrascht das kaum jemanden, der den US-Kongress kennt.
Aber der Trend ist global. Und logisch: Wenn Konzerne mehr Macht haben, kann
man durch das Verändern von Konzernhandeln auch die Welt mehr verändern. In einer Welt, in der z.B. wenige Konzerne große
Teile unserer Nahrungskette kontrollieren, kann man die Zukunft unseres Essens
scheinbar am leichtesten beeinflussen, indem man sich genau auf diese Akteure
konzentriert. Wenn die Zivilgesellschaft aber deshalb zunehmend Konzerne statt
Staaten als Akteure und Gegenüber in den Mittelpunkt stellt, stärkt genau dies
indirekt (und oft unbeabsichtigt) die Dominanz der Konzerne weiter.
All dies
geschieht in einem Kontext, in dem die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft oft
nicht eindeutig voneinander zu trennen sind, da Konzerne wie Unilever aktiv
Lobbyarbeit bei Klimagipfeln betreiben, anerkannte Wirtschaftsbosse wie Bill
Gates oder Mark Zuckerberg sich selbst als Philanthropen und Weltverbesserer
inszenieren und viele Nichtregierungsorganisationen direkt von Konzernen
finanziert werden. Schaffen es in einem solchen Kontext wenigstens kritische
zivilgesellschaftliche Organisationen, sich themenübergreifend zusammen zu tun
und z.B. die Arbeit einer Gates Foundation kritisch unter die Lupe zu nehmen?
Ich würde es mir wünschen.
Mut macht das
breite Bündnis gegen TTIP, das von kleinen und mittleren Unternehmen über
Gewerkschaften bis hin zu radikalen Umweltschützern reicht. Vor allem macht es
Mut, weil die TTIP-Bewegung zwar aus der Sorge um Einzelthemen entstanden ist,
gleichzeitig es aber – zumindest in Deutschland - gelungen ist, die Diskussion
um TTIP zu einer Diskussion über die undemokratische Grundordnung des
internationalen Handelsregimes werden zu lassen. Handelsabkommen, die
intransparent erarbeitet werden, sind genauso wenig neu wie demokratisch höchst
fragwürde Schiedsgerichte, die Sozial- und Umweltstandards bedrohen. Aber TTIP
hat diese Fehlentwicklungen und Gefahren aus den Fachpapieren der Handels-NGOs
erst in die Massenmedien und dann auf die Straße gebracht. Das ist gut und
wichtig, da die Verhinderung weiterer Handelsverträge wie TTIP, CETA und Co.
zentral ist, wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, den Einfluss privater
Interessen auf staatliches Handeln demokratisch zu begrenzen. Kurzfristig ist
eine Fokussierung auf „Abwehrkämpfe“ á la „STOP TTIP“ essentiell. Denn wenn
diese Kämpfe verloren gehen, wird noch mehr Macht für privatwirtschaftliche
statt gemeinwohlorientierte Interessen strukturell so verankert, dass eine
Re-Demokratisierung von Entscheidungen sehr, sehr schwer werden wird.
Aufbauend auf dem
Erfolg der TTIP-Kritik hätte ich mir auch eine gemeinsame, politische Antwort
der Zivilgesellschaft auf den VW-Skandal der letzten Monate gewünscht. Dazu bot
sich der Skandal an, da er nicht nur ein klassischer Fall ist, bei dem
Profitinteressen über die Interessen der Gemeinschaft gestellt wurden. Er ist
auch ein mustergültiges Beispiel dafür, wie die Politik sich vor den Karren
dieser Profitinteressen spannen lässt (und auch hier gibt es natürlich eine
Verquickung von Staat und Konzern). So war es nicht nur ein bekannter Skandal,
dass die EU-Abgasnormen nicht auf den tatsächlichen Emissionen im alltäglichen
Verbrauch von Fahrzeugen basieren. Die Antwort der Bundesregierung auf den
Skandal war noch dazu, in Brüssel noch
schwächere Abgasnormen zu fordern. Frei nach dem Motto: Wenn das Kind den
Test nicht schafft, dann ändern wir eben den Test. Leider schaffte es die
Zivilgesellschaft nicht, den VW-Skandal gemeinsam zu nutzen und zum poster child einer von Konzerninteressen
geleiteten Politik zu machen. Einige, am Geldhahn von VW hängend, fassten den
Konzern stattdessen mit Samthandschuhen an; andere arbeiteten zum Thema gar
nicht, da sie es „nur“ als technisches Autoemissionsthema ansahen. Und auch
Greenpeace stellte nicht die strukturellen Machtfragen in den Vordergrund,
sondern die – in der Tat skandalösen – gesundheitlichen Folgen der
verschleierten zusätzlichen Emissionen. Eine vertane Chance, denn VW, das
zeigen nicht zuletzt die Satiren in der heute
show und anderswo, ist so zentral in der medialen Öffentlichkeit in
Deutschland, dass man darüber viele Menschen hätte wachrütteln können. Oder ist
es dafür vielleicht doch noch nicht zu spät?
Aufbauend auf den
Fallbeispielen, die in dieser Publikation zusammen getragen wurden, sollten wir
als Zivilgesellschaft weiter gemeinsam und selbstkritisch diskutieren, wie wir
eine Gegenmacht zur corporate capture
aufbauen können. Das ist keine einfache Aufgabe, denn es gibt – Adorno möge mir
verzeihen - kein wahres NGO-Leben im von Konzernen dominierten Falschen. Aber
wir müssen diese Diskussion führen, wenn wir der Wirtschaft nicht kampflos alle
politische Macht überlassen wollen.
Eingestellt von Daniel Mittler 0 Kommentare
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