Die Wahl ist vorbei, der Jammer groß. Der Böll Wahlblog aber geht munter weiter - und auch ich versuche den Blick nach vorne. Dabei ist klar: Wenn Rot-Rot-Grün 2013 möglich sein soll, benötigt dies viel Arbeit - in allen drei Parteien und Milieus. Sind wir bereit?
Eigentlich war es ein Abend wie es so viele. Damals, in den 80er und frühen 90ern, war das halt so. Eine ganze Generation - meine - konnte sich schlicht nichts anderes vorstellen, als dass der deutsche Kanzler Kohl hiess. Frei nach Gary Lineker war die Politik ein Spiel auf vier Jahre - und am Schluss gewann Kohl mit Schwarz-Gelb.
Man hatte es fast vergessen, die Gewohnheit mit der man Niederlagen damals wegsteckte. Sonntag wurden wir scherzhaft erinnert: Aua - wieder Schwarz-Gelb. Immerhin nicht Kohl - aber dafür, viel schlimmer, Westerwelle. Denn: das sind nicht die Gelben von damals. Dass sind Gelbe, die anderswo mit Thatcher und Reagan schon Geschichte sind. Und irgendwie liess mich die ganze Nacht die Angst nicht los: Und wenn es wieder 16 Jahre werden?
16 Jahre hat es damals gedauert, bis die Roten und die Grünen sich so aufgestellt hatten, dass 1998 eine Wechselstimmung möglich war. Was braucht es damit es diesmal nur 4 Jahre werden?
Klar: Koalitions-Optionen. Diese entstehen aber nicht aus dem Nichts oder rein nach der Logik der Addition. Koalitionsoptionen müssen glaubhaft sein. Deswegen war es auch falsch von SPD wie Grünen in den letzten Tagen vor der Wahl ausgerechnet die FDP zu hofieren. Vielleicht war die Ampel rechnerisch noch der einzige - politisch erlaubte - Weg zur Macht. Aber, wie Ralf Fücks ausgeführt hat: Es glaubte doch eh keiner dran. Rumampeln und vor Schwarz-Gelb warnen ging darüber hinaus schlicht nicht zusammen. Vielleicht haben die Grünen auch dadurch nicht mehr von der Schwäche der SPD profitieren können?
In vier Jahren, jedenfalls, wird Schwarz-Gelb nicht mehr ein Gespenst sein, sondern die real existierende Regierung. In dieser Situation wird mit Sicherheit weder CDU noch FDP einen Wahlkampf führen, der nicht auf eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb ausgerichtet ist. Also brauchen wir eine Alternative. Nach vier Jahren gemeinsamer Oppositionsrolle sollte Rot-Rot-Grün das sein. Schon heute sollten die Argumente dafür auf der Hand liegen. Denn 2009 war die CDU in all zu vielen Wahlkreisen die lachende Dritte, da sich SPD, Grüne und LINKE gegenseitig Erststimmen klauten. In Hamburg Nord, z.B., hatten SPD, Grüne und LINKE gemeinsam über 53% der Erststimmen. Den Wahlkreis gewann die CDU - mit 38,4%. Dieses Fiasko zu wiederholen kann nicht im Interesse der drei Parteien links der CDU sein. Es müssen Absprachen her!
Klar ist aber auch: Rot, Rot und Grün zusammen zu bringen wird nicht einfach. Es wird nur gelingen, wenn die die heute traurig sind sich zusammen raufen, eigene Eitelkeiten zurückstellen und Rot-Rot-Grün zu ihrem Projekt machen - so wie es Rot-Grün für viele progressive Menschen in den 80er und 90er Jahren war.
Was die Schwierigkeiten diese Koalition zu bewerkstelligen angeht, so gibt es Parallelen: Die Grünen waren (auch) eine Reaktion auf die reaktionäre Politik von SPD-Regierungen (man denke nur an den NATO Doppelbeschluss). Mit der Kritik der eigenen Politik zu koalieren war für viele in der SPD lange nicht vorstellbar - und benötigte ein programmatische und personelle Erneuerung.
Die LINKE - zumindest als gesamtdeutsches Phänomen - ist gleichermassen die Reaktion auf gravierende wirtschaft- und sozialpolitische Fehler von Rot-Grün. Das zuzugeben tut sicher nicht nur Herrn Steinmeier weh. Aber es ist notwendig, will die SPD nicht weiter an einem "Projekt 18 Prozent" arbeiten und damit progressive Mehrheiten blockieren ... Dass Steinmeier auch am Sonntag nach der Wahl noch - auf die Agenda 2010 angesprochen - so klang wie Westerwelle war schon bezeichnend. Plötzlich waren auch bei der SPD soziale Einschnitte dringend nötig um Arbeitsplätze zu schaffen ....
Die SPD muss also in die programmatische und personelle Erneuerung. Steinmeier muss gehen, um so schneller um so besser. Aber klar, auch bei Grünen und LINKEN muss es Veränderungen geben. Lafontaine, z.B., wird einer Rot-Rot-Grünen Regierung sicher nicht angehören können.
Rot-Rot-Grün hat aber auch Probleme, die Rot-Grün in der alten Bundesrepublik so nie hatte. DIE LINKE muss z.B. intensiv und öffentlich in den nächsten vier Jahren ihre SED/PDS-Vergangenheit aufarbeiten (teilweise heisst das: noch einmal). Weil dieses historische Unrecht keine Bagatelle ist. Punkt. Aber auch aus taktischen Gründen: Nur durch eine aggressive Abrechnung mit der SED-Vergangenheit kann DIE LINKE für weite Teile der westdeutschen SPD und (west- wie ostdeutschen) Grünen Anhängerschaft je akzeptabel werden.
Hier ist nicht der Platz und Ort alle Politikfelder durch zu arbeiten in denen sich die drei Parteien bewegen müssen. Das ist die Arbeit der nächsten vier Jahre. Was entscheidend ist, ist das wir die Arbeit beginnen. Rot-Rot-Grün muss programmatisch wie personell ab sofort vorbereitet werden - wenn Rot-Rot-Grün 2013 eine Option sein soll. Wer das bestreitet, mag der Meinung sein, dass sie sich alle Optionen offen hält. Ich aber fürchte, dass er in Wirklichkeit verhindert, dass es 2013 eine realistische progressive Alternative zu Schwarz-Gelb gibt. Wollen wir wirklich wieder 16 Jahre warten?
Dienstag, 29. September 2009
Wird Rot-Rot-Grün jetzt ein Projekt?
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